Nach nunmehr 45 Jahren der Diskussion um die Grundschule in Eversen ist abermals deutlich geworden, dass der Stadtrat, insbesondere aufgrund individueller Partikularinteressen einiger Mitglieder, nicht willens oder fähig ist, in einer zweifelsohne schwierigen Situation zu einem Ergebnis zum Wohle der gesamten Stadt Bergen zu kommen. Vielmehr wird es wahrscheinlich darauf hinauslaufen, dass die Berger Bürgerin Claudia Dettmar-Müller das Bürgerbegehren zur Zusammenlegung der Grundschulen Eversen und Sülze am Standort Sülze weiter forciert und damit den Bergerinnen und Bergern die Möglichkeit eröffnet, im ur-demokratischsten Sinne die trotzige Blockadehaltung im Stadtrat zu lösen.
Damit das Bürgerbegehren in seinem weiteren Verlauf nicht unnötige Kosten verursacht, hatte die Gruppe von FDP und CDW einen Antrag eingebracht, der die Zusammenlegung der Schulen am Standort Sülze ermöglicht, und zusätzlich 100.000 Euro bereitgestellt hätte. Mit diesem Betrag wäre es möglich gewesen, die bereits vorhandenen guten Angebote wie z.B. den Plattdeutschunterricht zu erhalten und die gemeinsame Grundschule mit Zusatzangeboten und weiteren Arbeitsgemeinschaften zu fördern. Hierfür hatte die Gruppe FDP/CDW frühzeitig die Hand zur Mitarbeit, insbesondere auch an die Fraktion der CDU und der Gruppe Rot-Grün, gereicht. Doch anstatt diesen Antrag konstruktiv zu begleiten, hatte man sich anscheinend dazu entschlossen, die Stadtratssitzung dazu zu nutzen, eine tragische Komödie zum Besten zu geben, die auch mit einigen Tagen Abstand zum Erlebten an Absurdität kaum zu übertreffen scheint.
1. Akt – Wenn es nach 45 Jahren plötzlich dringlich wird
Direkt zu Anfang der Ratssitzung überraschten die CDU Fraktion und die Gruppe Rot-Grün die übrigen Mitglieder des Stadtrats mit einem Dringlichkeitsantrag. Dieser zielte unter anderem darauf ab, die Schließung der Grundschule Eversen ins Jahr 2029 zu vertagen.
In diesem Vorhaben fällt es schwer die Sinnhaftigkeit zu entdecken, handelt es sich doch ausschließlich um eine Verschleppung und ein Hinausschieben des Unausweichlichen. Unerwähnt blieben die anfallenden Kosten, die der Weiterbetrieb der Schule für Instandhaltung und Absicherung, u. a. für den Brandschutz, verursachen würde.
Schwerer wiegt jedoch die Irritation über das individuelle Verständnis des Inhalts ihres Antrags der einzelnen Mitglieder von CDU und Gruppe Rot/Grün. Es war festzustellen, dass man sich über die bisherigen Einzugsgebiete der Berger Grundschulen weder einig war noch konnte man die Auswirkungen des eigenen Antrags genau beziffern. Diese wurden, je nach vortragender Person, unterschiedlich interpretiert und vorgetragen. Man gewinnt den Eindruck, dass der Dringlichkeitsantrag in einer derartigen Dringlichkeit zusammengetragen wurde, dass man nicht nur die benötigte 2/3 Mehrheit, sondern auch die gewissenhaften Vorbereitung für den Antrag vergessen hatte.
Dieser eklatante Mangel an Gewissenhaftigkeit in einem so fundamentalen Thema wie der Schulentwicklung wird den Schülerinnen und Schülern der Stadt Bergen nicht gerecht.
2. Akt – Wenn Fakten scheitern müssen es Emotionen richten
Nachdem man mit dem Dringlichkeitsantrag gescheitert war, und die vorgebrachten „Argumente“ zum weiteren Erhalt der Grundschule seit einigen Jahren lediglich Retorten bereits widerlegter Punkte sind, wurde anschließend versucht, diese auf der emotionalen Ebene zu vermitteln. Nicht, dass Emotionen für eine tragische Komödie nicht wichtig wären; jedoch grenzt es an Unverfrorenheit, mit Krokodilstränen zu beteuern, durch die Abkehr vom Bürgerbegehren eine Spaltung der Berger Bevölkerung verhindern zu wollen. Schließlich hat man auf eben diese seit Jahren durch die Vernachlässigung des Stadtwohls und mit der Förderung des Ortslobbyismus auf Stadtebene aktiv zugearbeitet. Dies lässt einen entsetzt und gleichwohl kurzzeitig sprachlos zurück. Wenn man nun seitens CDU und Rot-Grün versucht, Schuldige für eine eventuelle Spaltung in Bergen zu finden, so sollte der Blick nicht in Richtung der Antragstellerin, sondern in den Spiegel gehen.
3. Akt -Gute Demokratie, Schlechte Demokratie
Leider blieb die Frage, insbesondere von Seiten der Gruppe Rot-Grün, unbeantwortet, warum ein mögliches Bürgerbegehren zur Thematik Grundschule Eversen „am Stadtrat vorbei“ schlecht und abzulehnen ist, während man der Unterschriftensammlung und dem Erhalt des Bürgerparks im Jahr 2020 positiv gegenüberstand. Hier muss man zumindest die Frage stellen, ob die direkte Demokratie aus sozialdemokratischer Sicht nur dann unterstützenswert ist, wenn diese der eigenen politischen Agenda entspricht. Des Weiteren bleibt der Blick auf einen möglichen plötzlichen Twist dieser tragischen Komödie.
Der vorgelegte Antrag der Gruppe FDP/CDW und der Antrag der CDU und Rot/Grün unterscheiden sich im Kern nur durch den Zeitpunkt der Schließung. Der Antrag der FDP/CDW wurde, begründet u. a. mit den vertraglich geregelten Laufzeiten, echauffiert abgelehnt.
Die Hauptzeit verbrachten die Ratsherren und Ratsdamen von CDU und Rot-Grün jedoch damit, auf unverlässliche Zahlenwerte der Schülerprognosen, der generellen Förderung des ländlichen Raumes, kleiner Klassen, kurzer Wege und der generellen Unterstützung der Grundschule Eversen zu verweisen. Dies ist umso bemerkenswerter, da man damit den eigenen Antrag der Schließung der Grundschule Eversen für 2029 argumentativ ad absurdum führte. Zumal ein Fortbestand des Grundschulstandortes in den kommenden Jahren verpflichtende Investitionen auslösen würde. Die Absicht die Grundschule Eversen tatsächlich im Jahr 2029 zu schließen war nicht zu erkennen und muss somit kritisch hinterfragt werden.
4. Letzter Akt
Bevor der Vorhang fällt, sei hier noch eines kundgetan: Niemandem ist es leichtgefallen, einen solch gewollt kritisch-ironischen Text zu verfassen und zu veröffentlichen. Die Schulentwicklung ist eine höchst emotionale Thematik und insbesondere die Elternschaft aus Eversen hat hierbei unser aller Verständnis, sich für den Erhalt der Grundschule Eversen auszusprechen und einzusetzen. Dennoch muss nach der Vorstellung von CDU und Rot-Grün am vergangenen Donnerstag festgehalten und um Verständnis geworben werden: Dieses unkoordinierte, in großen Teilen abstrus-dramatische und leider lächerliche Auftreten ist nur noch mit einer ordentlichen Portion Humor zu ertragen. Erwähnenswert bleibt abschließend, dass die FDP im Jahr 2021 bereits einen Antrag zur mittelfristigen Schließung der Grundschule Eversen eingebracht hatte, der bereits konsensfähig mit dem Schulelternrat abgestimmt war.